Wenn der Wurm drin ist
/in Allgemein /von Angelika StehleKonflikte mit dem Lebenspartner, mit Arbeitskollegen, mit der Familie – überall brennt es. Auch die Freunde werden weniger, die in meinem Leben schon viel aufgefangen haben. Aber ich komme selbst nicht dahinter, wie der Wurm aussieht, der sich hier durch mein Leben nagt. Und jetzt? Eigentlich brauche ich Hilfe. Aber bisher bin ich auch ohne weitergekommen.
Hier kämpfen Stolz und Selbstachtung mit dem Unbehagen am eigenen Leben. Die Schwelle, eine Therapie zu beginnen, ist enorm hoch. Ist es nicht eine persönliche Kränkung, das eigene Leben nicht im Griff zu haben? Ist es nicht demütigend, sich tatsächlich einzugestehen: Ich komme einfach nicht mehr zurecht, mir fehlt es an inneren Know-how für mein eigenes Dasein.
Wie viel leichter ist es, wegen eines gebrochenen Arms zum Spezialisten zu gehen. Selbst der Gang zum Sozialamt ist für viele im Vergleich zur Terminvereinbarung mit einem Therapeuten ein Spaziergang.
Ein interessantes Phänomen beobachte ich in meiner Praxis: Wer den Schritt endlich gewagt hat, kommt immer wieder. Die Klienten möchten wissen, wo der Wurm drin ist. Sie möchten nicht mehr Spielball ihrer Ängste und Muster sein. Mit wachsender Selbsterkenntnis wächst auch die Freiheit: Freiheit von Lebenslügen, blinden Flecken und Selbsttäuschungen, Freiheit, das zu entscheiden und zu tun, was man wirklich möchte. Und mit jedem Schritt tun sich mehr Klarheit, Leichtigkeit und Gelassenheit auf.
Schau mir in die Augen, Kleines
/in Allgemein /von Angelika StehleEs gibt diese Kinderwagengucker, die mit spitzen Schreien des Entzückens in jeden Buggy schauen. Sie sind ja auch wirklich süß, die kleinen Kinder. Ein Trick der Natur, denn sie wollen wirklich gesehen werden – damit sie groß und stark werden, auch psychisch und geistig.
Eine Hand am Kinderwagen, eine Hand am Smartphone, so sehe ich oft junge Mütter durch die Stadt gehen. Kein Wunder. Das Leben scheint an einem vorbeizurauschen, wenn man heutzutage ein Kind bekommt. Man fühlt sich oft abgeschnitten von Freunden und Kollegen, die tagsüber arbeiten und alle Möglichkeiten haben, sich auszutauschen. Ausgehen tun die anderen, selber braucht man jede Mütze Schlaf, die man kriegen kann. Schön, wenn man dann hin und wieder eine Nachricht bekommt und das Gefühl hat, nicht ganz vergessen zu sein.
Manchmal beobachte ich aber auch, dass die Kinder im Kinderwagen keine Chance haben, einen Blick zu erhaschen. Mama guckt ja ins Handy. Und das scheint offensichtlich wichtiger zu sein, spannender, mehr Wert. Da hilft nur ein ordentliches akustisches Signal, am besten erst mal meckern, und wenn das nicht hilft, dann schreien oder brüllen. Manche Kinder sind das schon so gewohnt, dass es anders nicht geht. Andere – und da tut mir das Herz weh – haben es aufgegeben. Die Ausbildung eines gesunden Selbstwertgefühls hängt von der Bindung ab, die Eltern zu ihren Kinder entwickeln. Diese festigt sich sehr wohl auch über liebevollen Blickkontakt.
Schauen und angeschaut zu werden ist für ein kleines Kind ganz wesentlich. Nur so kann es sich vergewissern: Es gibt mich tatsächlich! Wenn ich lächle, lächelt jemand zurück – ich bin wirksam, ich bin wer. Ich bin nicht allein, da ist jemand wirklich für mich da. Die Neurowissenschaft bestätigt, dass zur Ausbildung von Identität, Persönlichkeit und Intelligenz der Augenkontakt mit den ersten Bezugspersonen entscheidend beiträgt. Also: WhatsApp und Facebook öfter in der Tasche lassen und mit dem eigenen Kind flirten.
Nestbau für Eltern
/in Allgemein, News /von adminWenn ein Kind unterwegs ist, braucht es ein Nest. Es soll sich willkommen fühlen in einem behaglichen Zuhause, einem Bettchen, mit dem ersten Strampelanzug und einem Wickeltisch.
Doch was das Kind vor allem braucht, ist Mama und Papa. Diese Rollen sind uns Erwachsenen beim ersten Kind neu. Bisher haben wir den Haushalt mehr oder weniger gemeinsam erledigt und uns der beruflichen Karriere gewidmet, sind als Paar zusammen gereist, waren vielleicht auf wilden Partys bis in die frühen Morgenstunden und haben frei über unsere Zeit verfügt.
Das wird anders mit dem ersten Kind. Oft wird uns erst bewusst, dass Regeln und Bedürfnisse sehr verschieden sein können, wenn wir unsere eigene Familie gründen. Plötzlich tauchen Erwartungen beim Partner auf, von denen wir vorher nichts ahnten. Und dann kommen auch noch die frisch gebackenen Großeltern, die ihre eigenen Vorstellungen haben…
„Nestbau für Eltern“ ist ein Tag, an dem wir uns auf die Suche machen nach dem, was die eigene Familie ausmachen könnte. Wir tauschen aus, was jeder persönlich braucht, damit die neue Familie ein Ort der Geborgenheit werden kann. Dabei unterstützen und Farben, Klänge, und andere „Nestbaumaterialien“, um die eigene Familienatmosphäre greifbar, sichtbar und hörbar zu machen.
Sa. 27.2. 2016, 10-17 Uhr
Familienbildungsstätte Tübingen
Anmeldung unter
www.fbs-tuebingen.de
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen
/in Allgemein, News /von adminGespräche können Gefühle erzeugen. Müssen aber nicht. Es ist für viele Menschen – vor allem die Intellektuellen und manche Gesprächstherapie-Erfahrenen – ein Leichtes, ihre Probleme wortreich zu umkreisen, ohne irgendetwas dabei zu fühlen, das heißt: ohne dorthin zu gelangen, wo Veränderung möglich wäre.
Wir bestehen nicht nur aus unserem Kopf, auch wenn man sich damit trefflich abschneiden kann vom Rest des eigenen Erlebens. Denn das Wissen um das eigene Problem ist nur ein erster Schritt. Wer dort stehen bleibt, kann sich in einer Problemtrance einrichten. Das Problem wird so zu einem Bestandteil des Lebens, das sich immer weiter vertieft – wie bei einer kaputten Schallplatte, wenn sich die Nadel immer tiefer eingräbt: Keine Chance mehr, von allein auf eine andere Spurrille zu kommen, um das Musikstück des Lebens weiterzuspielen.
Was hier fehlt, sind neue Erfahrungen, die zeigen, dass Veränderung möglich ist. Dafür stehen die Methoden der Kreativtherapie. Zum einen kann sich hier Unaussprechliches auf andere Weise über Musizieren, Malen oder in Rollenspielen zeigen, zum anderen lässt sich unter „Laborbedingungen“ in der Therapie experimentieren: Wie sieht dieses Angstgespenst eigentlich aus? Wie fühlt es sich an, wenn ich den Schritt tatsächlich mache? Was wäre, wenn ich es so machen würde, wie ich es mir insgeheim immer gewünscht habe? Von dort aus eröffnen sich vielfach überraschende Wege – die Grammophonnadel kann auf eine neue Lebensmelodie hüpfen.
Der innere Schweinehund
/in Allgemein /von adminJeder hat so seinen inneren Schweinehund. Manchmal knurrt er leise, wenn sein Herrchen durch den Garten streift und feststellt: Man sollte mal endlich den Rasen mähen. Sowieso ist der Satzanfang „Man sollte“ ist eine gern genommene Wendung eines jeden Schweinehund-Besitzers. Wenn es um die Steuererklärung geht, die nächste Hausarbeit oder die Dissertation haben viele Schweinehunde ihre eigene Strategie. Entweder, sie locken mit verführerischem Wetter oder bauen eine dicke Barrikade aus allen anderen Dingen, die dringend gemacht werden müssen. Und zwar vorher.
Mit dem inneren Schweinehund lässt es sich in friedlicher Koexistenz leben. Aber nicht immer: Manchmal macht er sich so breit, dass das ganze Leben keinen Spaß mehr macht. Die unerledigten Anforderungen häufen sich, und alles auf den letzten Drücker zu schaffen, erscheint eigentlich aussichtslos.
Aber warum quäle ich mich so? Wieso kriege ich einfach nicht die Kurve? Warum kann ich mir nicht den Ruck geben, wenigstens einmal anzufangen? Stattdessen ziehe ich mich zurück, bin deprimiert, schäme mich. Ein Looser an der Leine des Schweinehunds. Denn schließlich kann mich der Schweinehund den Studienabschluss oder die Karriere kosten.
Tipps gegen Aufschieberitis gibt es viele, Leistungsanreize auch. Aber damit das greifen kann, ist es erst einmal gut hinterfragen: Was steckt eigentlich hinter dem Vertrag mit unserem Schweinehund? Oft kann erst dann Energie und Lust auf Veränderung entstehen.
Also: dem Schweinehund mal tief in die Augen schauen. In der Kreativtherapie lässt sich herausfinden, wie das Biest eigentlich aussieht, wie groß es ist, wie es sich anhört und von was es ernährt. Dabei wird man feststellen, dass man mit den Viech einen Vertrag geschlossen hat, von dem beide Parteien profitieren: dem Schweinehund und Ich. Was passiert eigentlich, wenn ich kündige? Auf was muss ich dann verzichten? Oder hat mein Schweinehund vielleicht auch ein bisschen Recht?